Stammtisch im Wiaz’Haus

Vor 11 Tagen kam die email: „Sehr geehrter Herr Hoffmann, … Mit dieser E-Mail möchte ich sie herzlich zu einem der nächsten #stammtische einladen…“ Es soll um „Politik, Wirtschaft und andere, die Gesellschaft bewegende Themen“ gehen. Ein kurzer Blick in den Terminkalender: Ja, am 28. November habe ich Zeit. Also sage ich gleich einmal auf Verdacht zu.

Nachdem es irgendwie auch um soziale Medien geht, wird sofort der digitale Anker ausgeworfen. Twitter ist wie immer hilfreich: „…heute ein paar Einladungen für die nächsten #stammtische rausgeschickt. Und ja, der Herr Hoffmann von der Männerpartei war auch darunter“ „…Also quasi „settin‘ an ambush“ #stammtisch #maennerpartei“

Wie soll ich das verstehen? Ein kurzes „…Das sind wir gewöhnt“ bringt als Antwort doch etwas überraschend „…ja, eigentlich nicht. ich werd die eine oder andere frage stellen, zb. obs wo angrennt seids, aber im prinzip…“ Da hat wohl jemand eine Rechnung offen. Welcher Ton ist jetzt der authentische? „Sehr geehrter Herr Hoffmann“ oder „seids wo angrennt“?

Der nächste Hintergrund-Check geht auf facebook. Dort gibt es eine Gruppe, der man beitreten kann. Ich finde einige alte Bekannte. Das kann ja interessant werden. Ich beantrage gleich die Gruppenmitgliedschaft und werde auch prompt aufgenommen. Gestern kommt dann die Gruppen-Nachricht: „Hat jemand der #stammtisch genossinnenen und -genossen was dagegen, wenn heute der ORF mit der Kamera vorbeikommt?“ Aha. Ich gehe zu einem Stammtisch, an dem jemand eine offene Rechnung mit der MÄNNERPARTEI hat und der ORF filmt. No risk, no fun.

Das Wiener Wiaz’Haus kenne ich noch nicht, aber rund um die Ecke Gußhausstraße/Favoritenstraße habe ich 20 Jahre lang fast alles gemacht: Studiert, gearbeitet, gefeiert. Um die Ecke in der Karlsgasse war früher der Hörsaal Null und im Elektrotechnischen Institutsgebäude hat es früher auch anders ausgesehen: Es gab da diese ungewöhnliche Cafeteria ohne Sonnenlicht auf einer Art Terrasse über dem Souterain und die Geeks mit ihren braunen Rollkragenpullovern haben dort täglich ihre Wurstsemmeln verdrückt und die Mathematikübungen gegenseitig abgeschrieben. Heute ist der HTL-Look wohl weniger aktuell, dafür laufen dann die Hipster herum. Aber das kann ich jetzt nicht überprüfen, es ist ja schon Abend.

Im Wiaz’Haus stehen schon die Biere am Tisch, bevor der #stammtisch offiziell begonnen hat, es ist also ein echter Stammtisch. @nattl erklärt, dass der ORF kommt, weil der #stammtisch in einem Bericht über Twitter vorkommen soll. Weil sich der #stammtisch eigentlich über Twitter gebildet hat. Aha. Und was mache ich hier?

Es stellt sich heraus, dass die Dame, die mich einladen wollte, leider selber doch nicht kommen konnte. Es stellt sich weiters heraus, dass der #stammtisch gedacht hat, die MÄNNERPARTEI bestünde aus lauter Typen, die ihre Frauen schlagen und mit Thailänderinnen verheiratet sind. Dunkel können sich die Teilnehmer erinnern, ich hätte im PRESSE-Interview gesagt, weibliche Akademiker seien nicht qualifiziert. Eigentlich wollten sie mich in der Luft zerreissen, weil das alles so unerträglich ist. aber irgendwie finden sie das auch toll, was die MÄNNERPARTEI macht, deswegen wollten sie mir erklären, warum das nicht so toll, ist, was die PRESSE geschrieben hat.

Aber das wird wohl heute doch nichts werden, weil die bewusste Dame gar nicht da ist und weil der ORF Report über Twitter reden will und nicht über die MÄNNERPARTEI. Aber die hochschwangere ÖVP-Bezirksrätin neben mir erklärt mir trotzdem, dass sie alle ihre Interviews erst authorisieren lässt, besonders, wenn Eva Linsinger den Artikel schreibt. Das werde ich mir zu Herzen nehmen. Vielleicht sollte ich doch irgendwann aufklären, welchen Schwachsinn das PROFIL im Sommer geschrieben hat. Ich hätte für MUT kandidiert? Blödsinn. Ich würde wollen, dass Männer in Frauenhäusern Hilfe bekommen? Frau Linsinger hat einfach Vieles nicht verstanden. Das sollte man vielleicht wirklich klarstellen.

Aber heute ist nicht der Tag dafür. Der ORF kommt und wir spielen alle die Rolle, die uns zugewiesen wird. Heftig diskutieren, aufmerksam zuhören, noch einmal mit dem Bier anstossen, damit es am Video schön wird. Wir sind ja alle Teil dieser Mediengesellschaft. Und nachdem der ORF dann geht, diskutieren wir tatsächlich noch über Politik. Um Mitternacht komme ich dann nach Hause und denke mir: Zum #stammtisch komme ich wohl mindestens einmal wieder. Damit sie die MÄNNERPARTEI endlich wirklich ausgiebig kritisieren können. Oder weil das interessante Menschen sind, die man wirklich gerne sieht.

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